Was vonseiten des Gemeindeverwaltungsverbands in dessen letzter Sitzung als Planentwurf für die Fortschreibung der Flächennutzungsänderung „Schöner Busch“ und „Löschenäcker“ mit knapper Mehrheit gebilligt wurde, mutet der Bürgerinitiative „Erhalt Schöner Busch – Löschenäcker“ (BI) wie ein Walldürner Gewerbegebiet durch die Hintertür an.
„Die Flächenausweisung dient ausschließlich der Entwicklung des Unternehmens Procter&Gamble sowie der Ansiedlung von deren Zulieferbetrieben“, so die neue Kernaussage.
Offen bleibt die Frage, was denn alles zum „Unternehmen Procter&Gamble“ (P&G) zählt. Denn der Konzern besteht nicht nur aus dem Walldürner Unternehmen mit der Produktion von Folienrasierern und Epilierern. Möchte der GVV durch die Bereitstellung von 29,5 Hektar Gewerbefläche eine aktive Um- oder Neuansiedlung von P&G-Sparten ermöglichen? Immerhin entspricht dies der dreifachen Fläche dessen, was seit 1954 in der Folge von Braun, Gillette und P&G genutzt wird. Ob P&G an anderen deutschen Standorten solch großzügige Flächenofferten präsentiert bekommt, möchten wir in diesem Zusammenhang bezweifeln.
Den P&G-Standorten – wie zum Beispiel Marktheidenfeld – dürfte bei der Umsetzung des neuerlichen Planentwurfs dann angst und bange werden. Auch haben die Walldürner Beschäftigen schon einmal einen hohen Preis dafür bezahlt, dass die Produktion von Scherteilen und Kunststoffveredlung von Kronberg nach Walldürn verlagert wird und Walldürn „verschont“ bleibt, indem sie ohne Lohnausgleich länger arbeiten.
Und so bekommt die Flächennutzungsplanung neben dem Argument der Arbeitsplatzsicherung durchaus auch eine moralische Komponente.
Ungeklärt ist auch die Frage, was unter einem Zulieferbetrieb zu verstehen ist. Das bietet zum jetzigen Zeitpunkt Raum für Spekulationen! Was heute ein Zulieferbetrieb ist, muss dies übermorgen nicht mehr sein. Nämlich, wenn P&G aus wirtschaftlichen Überlegungen den Zulieferer wechselt. Dann ist die Ansiedlung erfolgt, und aus einem Zulieferer wird ein „allgemeiner“ Gewerbebetrieb. Welche Steuerungsmöglichkeiten hätte hier der GVV? Wir denken: keine! Und deshalb fordert die Bürgerinitiative weiterhin, dass sich Zulieferbetriebe nur im Verbandsindustriepark ansiedeln dürfen. Zum Wohle der Verbandsgemeinde und als Mittel der Steuerung.
Als deutliches Zugeständnis seitens der Planer wird die Verkleinerung der Planungsfläche im Distrikt „Schöner Busch“ von 21,6 auf 14,6 Hektar offeriert. Hierzu möchten wir als BI festhalten: Die ursprüngliche Planungsfläche war in den dargestellten Dimensionen nicht genehmigungsfähig, da sich innerhalb der vorgesehenen FNP-Flächen ein ausgewiesenes und gesetzlich geschütztes Biotop befindet.
Durch das Plangebiet „Schöner Busch“ verläuft zudem das Gewässer „Barnholzgraben“. Entlang des Gewässers bestehen beidseitige Gewässerrandstreifen mit wesentlichen Verbotsbestimmungen. In Verlängerung des Barnholzgrabens in nördlicher Richtung liegt ein bereits in der Bauausführung befindliches Regenrückhaltesystem, welches ebenso wenig in die Flächennutzungsänderung aufgenommen werden kann.
Als besonders dreist empfinden wir, dass den Anwohnern die Vergrößerung des Ausgleichsstreifens von 32 Meter auf 130 Meter als großzügiges Entgegenkommen dargestellt wird. Es entspricht vielmehr der Tatsache, dass in mehreren Stellungnahmen darauf hingewiesen wurde, dass bezüglich der Darstellung eines Mischgebiets im Plangebiet „Schöner Busch“ dieses auch eine tatsächliche Mischung von Wohnen und Gewerbe voraussetzen würde. Da eine Wohnbebauung aber nicht Ziel der FNP-Änderung ist, musste das Mischgebiet aus der Planung herausgenommen werden.
Wenn die Fläche im jetzt vorgestellten Planentwurf um sieben Hektar verkleinert wird, weil diese im Verfahren nicht genehmigungsfähig oder zielführend sind, dann hat das nichts mit Zugeständnissen bezüglich der betroffenen Anwohner oder mit einem verantwortungsvollen Flächenmanagement zu tun, sondern mit Sachzwängen.
Wie lange möchte die Stadt Walldürn noch an einem solch monströsen Vorhaben festhalten? Haben die kritischen Stimmen aus den Reihen des GVV nicht deutlich gemacht, dass Zulieferbetriebe ihren Platz im Verbandsindustriepark haben sollen und die notwendigen Ausgleichsmaßnahmen für die Kommune ein Fass ohne Boden darstellen würden?
Ermüdend ist der gebetsmühlenartige Hinweis auf ein nachfolgendes Bebauungsplanverfahren, welches die „Details“ regelt. Jetzt werden die Weichen gestellt! Wir als Bürgerinitiative haben jedenfalls den Eindruck, dass sich die Planer der Gewerbegebiete „Schöner Busch“ und „Löschenäcker“ mit einem ICE bei voller Fahrt auf ein Abstellgleis begeben.
Martin Kuhnt, Walldürn
für die Bürgerinitiative „Erhalt Schöner Busch – Löschenäcker“