Wenn Bürgermeister Günther in der Abschlusssitzung des Gemeinderates von Sorgen um den Industriestandort Deutschland spricht und dies in Zusammenhang mit der Notwendigkeit „grenzenloser Innovationsmöglichkeiten“ bringt, so bleibt die Frage offen, was unter „grenzenlos“ zu verstehen ist? Im besten Fall bedeutet es in Bezug auf Industrie und Gewerbe, dass es in der aktuellen Planung zur Ausweisung neuer Gewerbeflächen nicht nur um die Interessen innerhalb der Gemeindegrenzen Walldürns, sondern grenzenlos um die der Verbandsgemeinde geht. Betrachtet man den Begriff Innovation im Sinne neuer Ideen oder Erfindungen, so sind Innovationen kreative Lösungen für knifflige Probleme und begrenzende Zwänge. Sie erfordern ein Umdenken und das Finden neuer Wege, trotz Schwierigkeiten und Hindernissen. Wäre es also nicht innovativ, wenn man – nicht nur im gewerblichen Flächenmanagement – Lösungen entwickelte, welche mit dem geringst nötigen Bedarf auskämen?
Schuldig bleibt der Bürgermeister eine Antwort darauf, wieso Bürger, die er in beruflicher Sicherheit wägt, den zukünftigen Generationen eine potentielle Sicherheit in Bezug auf Arbeitsplätze nicht gönnten. Sind Walldürner Bürger und ein im Naturschutz aktiver Verein rückwärtsgewandte Spinner, wenn sie sich für den Erhalt von möglichst viel Wald und einer landesweit einmaligen Arche für alte Obstbaumsorten engagieren? Sind jene gemeint, die sich für den Erhalt ihres Wohnumfeldes einsetzen? Ist es nicht gerade dieser Personenkreis, der das so oft eingeforderte bürgerschaftliche Engagement zeigt, indem er nicht jede kommunale Planung kritiklos mitträgt?
Ein Bürgermeister, der davon spricht, dass der Gemeinderat aufgrund von Gesinnung und Zeitgeist verunglimpft werde, muss sich den Vorwurf des Populismus gefallen lassen! Bleibt er doch erneut eine Antwort schuldig, nämlich auf welchem Ereignis und in welchem Zusammenhang eine solche Äußerung basiert. Welches Ratsmitglied, ob im Stadtparlament, als Mitglied in Ausschüssen oder dem Gemeindeverwaltungsverband, wurde im Sinne einer Verunglimpfung herabgesetzt oder verächtlich gemacht? Ein schwerwiegender Vorwurf an die, welche bei der letzten Kommunal- und Bürgermeisterwahl ihre Stimme abgegeben haben, dem Gremium vertrauen und dennoch demokratisch-kritisch ihre Stimme erheben.
Auch möchte man an das Demokratieverständnis appellieren, denn es sind zwar die gewählten Volksvertreter, die einen Gestaltungsauftrag vom Wähler erhalten. Daneben steht es aber auch der Bürgerschaft offen, sich am politischen Prozess zu beteiligen. Ohne die vermeintlichen „Partikularinteressen nicht Gewählter“ wäre die Reformbewegung der Aufklärung seit 1700 nicht vorstellbar, und wir stünden heute noch ohne Emanzipation, ohne Bildung und ohne Bürger- und Menschenrechte dar.
Martin Kuhnt, Walldürn