Auszug GVV – Begründung

4. Gewerbeflächenbedarf

Das Unternehmen Procter & Gamble hat gegenüber der Stadt bereits ihre Expansionsabsichten bekundet. Um den Standort zu sichern und die Weiterentwicklung des Unternehmens zu ermöglichen, müssen im Flächennutzungsplan neue Gewerbeflächen in direkter Anbindung an das Gelände von Procter & Gamble ausgewiesen werden. Die Fläche wird zur Erweiterung der Betriebsstätte benötigt, da in den nächsten 5 Jahren die komplette Produktionsverlagerung von Kronberg nach Walldürn erfolgt. Rund 250 Bedienstete des Werkes Kronberg haben sich bereit erklärt, in Walldürn weiter für das Unternehmen Procter & Gamble auf dem noch zu erschließenden Baugelände tätig zu sein. Hierfür ist die Ausweisung des westlichen Teilbereichs vorgesehen.

Folgend Stellungnahme der Bürgerinitiative

In der Begründung wird allein den Belangen eines dem Konzern Procter & Gamble zugehörigen Unternehmens Rechnung getragen und beruht auf deren „Absichten“.

Der Begründung ist zu entnehmen, dass die Ausweisung der Gewerbe- und Industriefläche „Schöner Busch“ – in Bezug auf das Unternehmen P&G – aufgrund der Produktionsverlagerung von Kronberg nach Walldürn notwendig ist. Tatsache ist, dass das 2016 auf dem bestehenden Firmengelände erstellte Assembly-Center und der zurzeit vollzogene Umbau und die Erweiterung des ehemaligen Pack-Centers für die Produktionsverlagerung notwendig und der Flächenbedarf damit bereits abgedeckt ist.

Es entspricht nicht den Tatsachen, dass „250 Bedienstete des Werks Kronberg sich bereit erklärt haben, in Walldürn weiter für das Unternehmen P&G auf dem noch zu erschließenden Baugelände tätig zu sein“. Wie voran dargelegt wurde, wird die Produktionsanlage für die Kronberger Produktionsverlagerung auf dem Firmengelände umgesetzt. Des Weiteren sind es etwa 10% der Kronberger Beschäftigten, welche eine grundsätzliche Bereitschaft bekundet haben.

Verfolgt man die Entwicklung von P&G, so ist festzustellen, dass einer Automatisierung der Produktion Vorrang vor der Steigerung von Beschäftigtenzahlen gegeben wird. P&G steht, wie die meisten weltweit operierenden Großkonzerne, unter dem Erwartungsdruck von Investoren. Daher gehen Bekenntnisse zu Standort- und Arbeitsplatzsicherung in der Regel ohne konkrete oder gar langfristige Garantien einher.

So wird zum Beispiel das erst 2012 in Walldürn in Betrieb genommene „standortsichernde“ Packcenter nach Ungarn verlegt. Betroffen sind 90 MitarbeiterInnen. Es wurde vom damaligen Werkleiter Josef Wuchterl als „ein wichtiger Meilenstein in der Geschichte des Braun-Werkes Walldürn“ bezeichnet (1).

Zu einer Medaille gehören immer zwei Seiten, und so darf man den Anspruch erheben, dass in einer Begründung nicht nur die vermeintlich positive Seite dargestellt wird, um Bedarf in Form von Industrie- und Gewerbeflächen geltend zu machen. 250 Arbeitsplätze fallen in Kronberg weg, 90 in Walldürn. So bleiben von den 250 genannten „umzugswilligen“ Arbeitsplätzen 160. Seit 2012 zählte die Umsetzung der neuen Personalstruktur zu den Kernaufgaben. Um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können, wurden bis Mitte 2015 insgesamt 260 Arbeitsplätze abgebaut und so die Belegschaft auf 750 Beschäftigte reduziert (2).

Der Wirtschaftsredakteur der Frankfurter Neue Presse, Panagiotis Koutoumanos, weißt in seinem Artikel „Braun ‚rasiert‘ Kronberg“ darauf hin, dass die Beschäftigten in Walldürn und Marktheidenfeld sich ihre Jobs erkaufen mussten, indem sie künftig ohne Lohnausgleich länger arbeiten (3).

Wie verhält es sich mit den Gewerbesteuereinnahmen? Wie mit den Erschließungskosten und Regenrückhaltebecken für das Industrie- und Gewerbegebiet? Die zu erwartenden Kosten für die Stadt Walldürn werden bislang nicht thematisiert. Es sei daran erinnert, dass sich die Kosten für die Sanierung der Straße Im Barnholz (jetzt Braun-Straße) – als neue Zufahrt für das Unternehmen P&G – auf mehr als 1,5 Mio EURO beliefen (4).

In der Begründung wird auch darauf verwiesen, dass Zuliefererfirmen von P&G die Möglichkeit zur Ansiedlung erhalten sollen. Konkret werden Betriebe genannt, welche in Kronberg ihren Firmensitz haben. Warum benennt man nicht diese Betriebe, damit alle Beteiligten im Verfahren die Chance der Nachvollziehbarkeit erhalten? Uns stellt sich die Frage, welche Zulieferbetriebe sich heute noch von einem einzigen Abnehmerbetrieb abhängig machen? Das ist wenig realistisch und wenn doch, dann besteht die Möglichkeit der Ansiedlung im VIP. Eine unmittelbare räumliche Nähe halten wir angesichts logistischer Strukturen für nicht notwendig.

(1) http://www.fnweb.de/region/neckar-odenwald/walldurn/werk-der-firma-braun-wird-erweitert-1.2451031
(2) https://www.fnweb.de/region/neckar-odenwald/walldurn/reif-folgt-auf-wuchterl-1.2032652
(3) http://www.fnp.de/nachrichten/wirtschaft/Braun-rasiert-Kronberg;art686,1615515
(4) http://www.rnz.de/nachrichten/buchen_artikel,-Wallduern-Neue-Visitenkarte-fuer-P-G-Braun-_arid,120543.html